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Rutger Bregman: Im Grunde Gut

          Dieses Buch sah ich immer wieder in den Buchhandlungen liegen, und überging es bewusst. Eigentlich war mir schon klar, was drin stehen würde. Nur war ich dafür noch nicht bereit. Insbesondere "Mensch werden" von Michael Tomasello öffnete mir die Tür zu einer Erkenntnis, deren Zeit längst reif war: Der Mensch ist gut. Warum wollen wir dennoch glauben, dass der Mensch schlecht ist? Aus Selbstschutz. Aus Ressentiment. Und um eine kognitive Dissonanz zu überwinden. Aus Selbstschutz an das Böse im Menschen zu glauben, ist einfach erklärt: so fallen die eigenen Fehler weniger auf. Die eigenen Missetaten werden als allzumenschlich entschuldigt. Das Ressentiment geht schon tiefer: jemandem ist es im Leben schlecht ergangen, und er hält verbittert an der Ideologie fest, der Mensch sei dem Menschen ein Wolf. Und dann wird er noch Vater und bringt es seinen Kindern bei, die mit diesem Glauben in die Welt hinaus gehen und derart konditioniert u...

Rolf Schäfer, Wolfgang Weimer: Man will leben und muss sterben – Man will tot sein und muss leben

        Auf dieses Buch war ich schon länger neugierig, habe es nun gelesen und nicht bereut. Die Autoren legen sofort los, und der Leser erwartet einen Niveau- , Dichte- oder Spannungsabfall, aber die am Anfang gelegte hohe Latte kann locker gehalten werden. Ja es wird sogar noch spannender, sodass es nicht mehr möglich war, wie ursprünglich gedacht, nach dem ersten Drittel aufzuhören und später auf das Buch zurückzukommen. Der existentielle Ernst und die angemessene Herangehensweise der Autoren haben keine Pause erlaubt. Wer gleich mit der Pointe anfängt, muss sich sicher sein, dass er auf den folgenden 500 Seiten den Leser nicht langweilen wird. Die Pointe ist, dass seitdem wir nicht mehr in Jäger-und-Sammler-Gruppen leben, es gefühlt mit der Welt (insbesondere mit der menschlichen Gesellschaft) bergab geht. Ideal ist für uns, in Gruppen mit knapp über 100 Leuten zu leben, wo wir alle persönlich kennen und uns gegenseitig ohne abstarkte Hi...

Wolfgang Weimer: Logisches Argumentieren

  Ein blaues Reclam-Heft für den Unterricht lässt sich in der Hochsommer-Hitze leicht in den Vertiefungen der Kleidung transportieren. Und ich war gespannt, was denn noch über die Logik und das Argumentieren gesagt werden kann, das noch nicht gesagt wurde. Es war eine leichte bis moderate Überraschung, festzustellen, dass ein Logik-Lehrbuch durchaus unterhaltsam sein kann. Das Buch ist offenbar für echte Menschen geschrieben, die viel Alltag und Smalltalk erleben, und an Gesprächsthemen orientiert, die eher wenig mit dem Logik-Unterricht zu tun haben. Dieses Buch würde den alten Spruch bestätigen, dass wir (in der Schule) für das Leben, und nicht für die Schule lernen. Jede Aussage, ausnahmslos, gründet auf einem Vorurteil, auf einer als gegeben genommenen Voraussetzung. Es gibt keine tabula rasa beim logischen Argumentieren, insofern das Gespräch einen bestimmten Inhalt hat. Die eigenen Vor-Urteile kann man sich bewusst machen, sie abstreiten, oder ihrer g...

Jonathan Haidt: Die Glückshypothese

          Mein Lieblingskapitel handelt natürlich vom Heiligen/Erhabenen/Erhebenden und dem Ekel als kontradiktorischen Gegensätzen. Das Schöne, für mich gleichbedeutend mit dem Heiligen, ist als das Höchste dem Ekel kontradiktorisch entgegengesetzt, das habe ja bereits selbst herausgefunden. Es geht in diesem Buch darum, was Menschen wirklich glücklich macht. Und das sind, Pech für mich, glückliche Beziehungen. Dann machen wohl unglückliche Beziehungen am unglücklichsten und ich habe doch Glück gehabt. Viele Wertvorstellungen haben mit der Glückssuche zu tun. Als Seelenheil-Egoist gebe ich das zu, ich bin schon lange über das moralische Getue hinaus. Die interessanteste Erkenntnis ist die mit dem bei Geburt automatisch eingestellten Glücksthermometer: wer die genetische Lotterie gewonnen hat, hat ein heitereres Gemüt. Auf der Glücksskala von 0 bis 10 hat einer einen Grundwert von 7, zu dem er nach allen Hochs und Tiefs letztlic...

Luis Alegre: Lob der Homosexualität

          Gestern habe ich zum ersten Mal den Buchladen Eisenherz in Berlin-Schöneberg besucht. Dort kaufte ich vier Bücher, und las eines davon gleich auf dem Weg, was sich dann tief in die Nacht fortsetzte, womit es sich nun um eines der wenigen am Stück gelesenen Bücher handelt (18:00 bis 2:50 mit Unterbrechungen). Der spanische Philosophieprofessor Luis Alegre hat ein Lob der Homosexualität verfasst, dem ich mich weitgehend anschließen möchte. Was mir schon immer klar war, das führt Alegre als den Hauptgrund der Homophobie im heteronormativen Patriarchat und umso mehr in autoritären und totalitären Gesellschaften an: die Heterosexuellen neiden den Homosexuellen ihre Freiheit. Wenn eine Gesellschaft die Sexualität der Menschen kontrolliert, kontrolliert sie ihre Psyche. Mehr Gleichschaltung braucht es nicht, wenn die Staatsmacht oder die Kirche oder die Familie einen Schlüssel zu deiner Privatsphäre hat. Die unfreiesten Gesellschaften sind ...

Wolfgang Weimer: Der Homo sapiens im Alltag

          Eine kurzweilige Kurzgeschichtensammlung, kurz: Hochsommerlektüre. Los geht es aber nicht mit dem Homo sapiens , sondern mit dem Homo grausamensis , der als Jungtier in Begleitung von Artgenossen ein Tier der Art Mus musculus quält. Und dann erscheint ihm die kleine Maus groß im Traum und lässt ihn großes Kino erleben: die Welt aus der Perspektive der Tiere. Teilweise geht es erzählerisch zu wie in Hallidays Urwelten; es ist die längste Kurzgeschichte im Buch, aber der Leser will hier am wenigsten, dass sie aufhört. Dass es endlich aufhört, will der Leser bei den vielen deprimierenden Geschichten unbedingt, die nicht kurz genug sein könnten, und doch lang genug sind, um eine miese Stimmung zu hinterlassen. Zum Glück sind sie mit heiteren und unterhaltsamen Geschichten vermischt. Eine besonders harte Geschichte eines gescheiterten und zum Suizid entschlossenen Lebens mit einer überraschenden Wendung wird der Leser nicht so schnell verg...

Arne Hoffmann: Männerbeben

          Das Standardwerk des linken Maskulisten Arne Hoffmann "Sind Frauen bessere Menschen?" war vergriffen und wurde nicht mehr nachgedruckt. Es war auch antiquarisch nicht mehr zu erwerben: kaum 10 Jahre alt, schon war das Buch zu einer Legende geworden. Aber "Männerbeben" wiederholt größtenteils die The- und Problematiken, und so bestellte ich mir dieses damals neue Buch und las es Anfang 2010. Arne Hoffmanns Blog Genderama entdeckte ich alsbald auch, und noch lange bevor ich mir resignierte und vom weiblichen Egoismus und Solipsismus enttäuschte MGTOW-Youtuber anhörte, wurde mir klar, dass Frauen die emanzipatorischen Fortschritte nicht mit Männern teilen wollen: Frauen wollen das Beste aus beiden Welten (Tradition und Moderne) für sich behalten und das Schlechteste aus beiden Welten Männern überlassen. Frauen wollen alles selbst entscheiden dürfen, und erwarten dafür Respekt (die Bescheidenen), Unterstützung (die Meisten) oder sogar...

Slavoj Žižek: Die Paradoxien der Mehrlust

          Ein intellektuell anspruchsvolles Werk, bei dem es schwerfällt, festzustellen, worum es eigentlich geht. Noch schwerer ist, zu sagen, worum es nicht geht. Durch diese seine Art wurde Slavoj Žižek wohl so berühmt, und auch deswegen ist er bei vielen so unbeliebt. Was will er sagen? Worauf will er hinaus? Mit Sicherheit ist Žižek kein Systematiker. Aber das kann man von einem, der zugleich Hegelianer und Lacanianer ist, auch nicht erwarten. Žižeks unkonventionelles Denken kreist um wichtige und aktuelle Themen, er ist ernst zu nehmen und unterhaltsam zugleich. Was er der political correctness vorwirft ist nicht so entscheidend wie seine Begründung. Bei aller Schärfe der Kritik enthält er sich der Falle, Verschwörungstheorien zuzustimmen, oder selbst welche in die Welt zu setzen. Er zeigt, wie die Sache selbst das Subjekt in einen Handlungsrahmen zwingt, den es weder (um)konstruieren noch verlassen kann, und doch sind wir als Subjekte ...

G. W. F. Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik

          Auf dem Heimweg vom Alexanderplatz (drei Kilometer geradeaus nach Norden) las ich Anfang Mai den dritten Band von Hegels Ästhetik. Ich las im Gehen; die Sonne schien, das Suhrkamp-Taschenbuch ist nicht viel größer als ein Smartphone. Zuvor hatte ich die Aeneis von Vergil fast bis zum Schluss gelesen, und nun bestätigte Hegel meinen Eindruck, indem er auf mehreren Seiten ausführte, was ich selbst etwas kürzer gefasst über die Aeneis bereits gedacht hatte. Das Parallellesen von Büchern lässt oft vermutete und manchmal auch unerwartete Überschneidungen geschehen, und erst durch diese Aha-, Oho- und Uhu-Effekte kann man erkennen, wieviel man vom Gelesenen behalten und weiterverarbeitet hat. Zu meiner Zufriedenheit ringen bei mir die Bells durchaus oft. Es war der Juli 2021, als ich aus Ärger über die mit sinnlosem Gelaber mit Mitmenschen vergeudete Zeit die vergilbte Suhrkamp-Ausgabe der Ästhetik ausgrub, vor über 10 Jahren als 20...

David Christian: Zukunft denken

          Der Begründer der Big History schreibt eine Geschichte der Zukunft, genau genommen, der Zukunftsforschung, denn die ersten 75% des Buchs sind ebenjener gewidmet, während diese erst auf den letzten 75 Seiten vorkommt. Es ist das Buch mit der im Verhältnis zur Gesamtlänge längsten Vorrede, zumindest von den Büchern, die mir bekannt sind, und das werden wahrscheinlich nicht mehr als 0,001% sein. Um Wahrscheinlichkeiten geht es auch in diesem Buch. Wie haben wir traditionell (an) die Zukunft gedacht? Was hat das wissenschaftliche Weltbild in unserem Zukunftsdenken verändert? Und schließlich: wie wird die Zukunft sein? Matthias Horx (nahe Zukunft) und Brian Greene (Bis zum Ende der Zeit) gehen als Zukunftsforscher mehr ins Detail, David Christian präsentiert das Gesamtbild.

Johannes Krause, Thomas Trappe: Hybris

          Auch die Forschung zur Entwicklung und Verbreitung der Menschen und Menschenarten über den Globus steht nicht still. Handelt es sich hier noch um die Naturgeschichte des Homo Sapiens oder schon um die Tiefengeschichte des Menschen? Wenn Schwarz, Weiß und Gelb Rassen sind, was wäre dann der Neandertaler, mit welchem jede der früher so genannten Rassen zeugungsfähige Nachkommen hätte zeugen können? Wie haben die Eiszeiten und der vulkanische Winter nach dem Toba-Ausbruch die Menschheit(en)geschichte geprägt? Interessant ist, dass der naheliegendste Weg nicht immer der kürzeste ist. Über den Sinai aus Afrika auszuwandern, scheint der Weg unserer Vorfahren gewesen zu sein, doch sie sind eher über Südjemen ausgewandert, also aus Äthiopien, nicht aus Ägypten, und übers (damals etwas tiefergelegene) Meer, nicht über Land. Und dann haben sie sich verteilt, mit anderen Menschenarten gekreuzt, diese schließlich verdrängt, sich über den Globus ...

Thomas Halliday: Urwelten

          Dieses Buch hätte ich gern als Kind gehabt, aber erstens ist der Autor erst so alt wie ich und zweitens war vor 30 Jahren der Wissensstand über die Urzeit überschaubar. Inzwischen können ganze Lebenswelten aus dem Pliozän und Oligozän, aus der Kreidezeit und dem Kambrium rekonstruiert werden. Und das macht Halliday so bildhaft, dass es dem Leser wie einem Kind geht, das zum ersten Mal über Dinosaurier liest. Es handelt sich womöglich um das beste Buch seiner Art, zumindest in unserer Zeit. Hoffentlich gibt es das nächste Buch dieser Art, die nächste deutliche Verbesserung der Auflösung unserer in die Erdgeschichte gerichteten Kamera, nicht erst in 30 Jahren, sondern schon in 10.

Wladislaw Jachtchenko: Dunkle Rhetorik

          Nichts ist in einer Diskussion besser als die Kraft des besseren Arguments. Doch Argumentieren ist anstrengend, und die Borniertheit des Opponenten oft frustrierend. Die idealen Gesprächsbedingungen für die Kraft des besseren Arguments finden so gut wie nie statt, und ein herrschaftsfreier Diskurs bleibt nur ein Wunschtraum von Jürgen Habermas. Wir werden ständig von anderen Menschen manipuliert. Jede Machtressource wird genutzt, um seinen Willen durchzusetzen. Jeder Wissensvorsprung wird zum eigenen Vorteil und zum Nachteil der anderen ausgenutzt. Jeder lügt, betrügt, wendet Tricks an. Darum sagt der Rhetorik-Coach: Manipuliere, bevor du selber manipuliert wirst! Die Ratschläge des gelegentlichen Rhetorikweltmeisters (in der Anglosphäre finden Diskussionswettbewerbe nicht nur statt, sondern sind auch sehr beliebt, und Jachtschenko nimmt oft daran teil) sind wissenschaftlich fundiert. Er zeigt nicht nur Tricks, die funktionier...

Jorge Luis Borges: Das Buch der Träume

          Die 1976 erschienene Anthologie des großen Magischen Realisten , der nicht so sehr auf jedes geschriebene wie auf jedes gelesene Buch stolz war, enthält Gedichte, Kurzgeschichten, Aphorismen und Auszüge aus den Werken des Autors und dem Rest der Weltliteratur. Es geht um den Traum, um die Träume, um das Träumen, damit auch um die Träumer. Traumfiguren aus dem Traum eines anderen erscheinen einem im Schatten eines Traums, welcher gemeiniglich als Realität bezeichnet wird. Pro- und kontraphetische Träume, Traumräume, Begegnungen, ursprüngliche, vor der Eliminierung der kognitiven Dissonanz durch den Verstand wahrgenommene Emotionen, sinnige Gedanken, sinnliche Gefühle. Das Buch ist eine Reise nicht auf den Monte Zeballos in Patagonien, sondern ins innere Patagonien des Herausgebers und der herausgegebenen Autoren. Ein Buch, das in keinem verstaubten Bücherschrank eines lebensfeindlichen trockenen Theoretikers, der das Leben nur...

Wolfgang Engler: Bürger, ohne Arbeit

          Wolfgang Englers " Bürger, ohne Arbeit – Für eine radikale Neugestaltung der Gesellschaft " ist ein Kirchenlied auf das Bürgergeld. Im Jahr 2005 auf dem Höhepunkt der Agenda 2010 und somit dem Tiefpunkt der Sozialdemokratie geschrieben, habe ich es Anfang Anfang 2008 gelesen, wobei ich es als Sonderpreisausgabe im mich wenn recht entsinnenderweise Braunschweiger Hauptbahnhof auf dem Weg nach Berlin erwarb. Es geht darum, dass man nicht arbeiten müssen muss, um Bürger zu sein. Dass die Arbeit dem Menschen das Recht auf Leben verleiht, ist ja ein gemeinsamer Gemeinplatz sowohl für alle Sozialismen vom Kommunismus bis zum Nationalsozialismus als auch aller Kapitalismen vom Neoliberalismus bis zur sozialen Marktwirtschaft. Das Recht auf Leben von der Pflicht zur Arbeit zu entkoppeln, bedeutet für Engler so etwas wie wahrhaft humanistische Emazipation des menschlichen Individuums. Die Menschenwürde wird ja nur dann wahr gemacht bzw. verw...

Vergil: Aeneis

          Nachzuerzählen kein Bock: wer die Aeneis kennt, erfährt nichts Neues, wer sie nicht kennt, der sollte sie lesen. So unterhaltsam, als wie und ob zu Unterhaltungszwecken auf der altrömischen Tatstatur getippt, damals wahrscheinlich noch mit Windows 95 und einem vorsintflutlichen Word-Programm. Selbst Kaiser Augustus hatte keinen E-Book-Reader, um das Werk zu lesen, sondern musste es sich mühevoll, umgeben von schönen Frauen und belästigt mit gutem Wein, im Theater anschauen. Die Fortsetzung der Ilias will sich vor dem Original weder in mythologischer Tiefe noch in bildlicher Schlachtenbeschreibung verstecken müssen. Ein großes Vergnügen, intellektuell und emotional. Und dann noch all die für Freud und Jung zum Aufgreifen vorbereiteten Motive: eine große Gender-Studie.

Vaclav Smil: Wie die Welt wirklich funktioniert

          Vaclav Smil ist der tschechisch-kanadische Peter Zeihan der älteren Generation. Verglichen mit dem, was Zeihan und Smil zu sagen haben, ist Tacheles Bullshit und die Rede zur Sache sinnfreies Gelaber. Selbst die Informiertesten schweben bei Themen wie Klimawandel im realitätsleeren Raum auf Luftballons, die sich vor seltenen Eichennadeln aus Fakten nicht zu fürchten brauchen. Es werden ins Blaue hinein globale Konferenzen abgehalten, in denen unverbindlich beschlossen wird, zu einem bestimmten Zeitpunkt die globale Wirtschaft klimaneutral zu machen. Wann und ob das überhaupt möglich ist, wissen weder die Politiker, die das versprechen, noch ihre Wähler, die sie gewählt haben, noch die selbsternannten Faktenchecker unter den Journalisten. Wie es in Wirklichkeit ist, steht in diesem Buch. Zunächst einmal steht die Weltwirtschaft auf vier Elefanten, die Ammoniak, Stahl, Zement und Kunststoffe heißen. Diese materiellen Säulen un...

Lewis Dartnell: Ursprünge

          Woher kommt alles? Nicht vom herrschaftsfreien Diskurs. Auch nicht durch die Beschwörung des Universums. Mehr schon vom Karma, im Sinne von sehr lange Zeiträume übergreifender Tiefengeschichte. Dartnell zeigt die Voraussetzungen der Weltgeschichte, ihre erdgeschichtliche Basis: ohne die Vorgänge, die vor Jahrmillionen zur Entstehung von Erdöl und Gas geführt haben, wären die Golfkriege sinnlos. All der zivil- und kunsthistorische Überbau steht auf einer breiten Basis aus Plattentektonik, Meeresströmungen, Vegetations- und Animalgeschichte. Die Bäume, die Früchte, die Pferde, die Gräser, alles ist zu einer bestimmten Zeit irgendwo entstanden, und ist somit kontingent. Aber ohne Pferde keine Mongolen, ohne Mongolen keine Geheime Geschichte der Mongolen; ohne die klimatischen Bedingungen, die dazu führten, dass Bäume im Karbon und Plankton im Jura ohne zu verwesen in der Erde eingeschlossen wurden, hätte die Industrielle Revolution kei...

Ernst Jünger: Der Waldgang

          Ein Essay aus dem Jahr 1951, aber heute noch aktueller, wie auch Johan Huizingas Kulturkritik aus den und an den 1930-ern. Sprachlich von einer Brillanz, die ich nie erreichen werde, es sei denn, ich übe und werde so alt wie Ernst Jünger. Dafür habe ich seinen Waldgänger schon längst verwirklicht: ich bin ein radikales Subjekt nach Alexander Dugin, habe meine innere Heimat, meinen "Wald" seit Urzeiten, hänge an keinem Besitz, der mir genommen werden kann, und besitze unermessliche geistge Reichtümer. Mit dem Verbrecherkult und dem infantilen Dagegen kann ich nichts anfangen, und bin durch meine Existenz der verkörperte Widerstand gegen die gegenwärtige Tyrannei der Ultradekadenz. Das Buch, am 5.4.2023 zwischen 12:00 und 16:20 gelesen, hat keine Pausen geduldet, ich musste es am Stück lesen, was in Bahn, Tram und Mall weitgehend ohne akustische Störfälle gelang.

José Cordeiro, David Wood: Der Sieg über den Tod

          Das Buch handelt von der "wissenschaftlichen Möglichkeit, ewig zu leben" und ihrer "moralischen Rechtfertigung". Zum technischen Teil gibt es unter Laien nichts zu bereden. Kommen wir zur moralischen Rechtfertigung. Die Forscher weisen nach, dass Lebensverlängerung bis zur theoretischen Unsterblichkeit prinzipiell möglich ist. Bei der exponentiellen Entwicklung der Biotechnologie könnte schon die nächste Generation biologisch unsterblich werden. Daraus ergeben sich ethische, moralische und sozialpolitische Konsequenzen. Sozialpolitisch, gesellschaftlich, versicherungstechnisch würde der Wert eines theoretisch ewigen Lebens ins Unermessliche steigen. Da nicht mehr viele sterben werden, wird der seit Jahrzehnten andauernde Fortpflanzungsstreik kein Thema mehr. Da die Menschen nicht mehr an hohem Alter sterben werden, werden sie an Unfällen, Unglücken, Morden und Kriegen sterben, selbst wenn auch diese Todesursachen minimiert w...

Johan Huizinga: In de schaduwen van morgen

          In seinem Werk aus der Mitte der 1930-er analysiert der niederländische Kulturphilosoph die spät-dekadente westliche Gesellschaft haarscharf: wenn Spengler im "Untergang des Abendlandes" die Axt anlegte, dann hantiert Huizinga mit einem Rasiermesser. Seine Kritik an der Verblödung lässt an das Smartphone-Zeitalter denken; die Kritik der (post)modernen Bildung, die Idioten produziert, könnte auch von 2023 sein. Wenn der Leser für eine Sekunde, für eine Minute, für eine halbe Minute vergisst, über welche Zeit Huizinga schreibt, dann ist es immer wieder ein cooler Schock, festzustellen: "Oh, das war ja schon vor 85 Jahren!" Der Infantilisierung nach 1968 ging der von Huizinga so genannte Puerilismus voraus: damit meinte er, dass sich Erwachsene immer mehr wie Teenager verhalten, und damit meinte ausdrücklich all die, die damals allüberall an der Macht waren. Die Kindereien der 1930-er führten zu einem Ereignis mit 55 Millionen Toten, d...

Dichtungen des Michelangelo

          Die Gedichte des legendären Michelangelo, der gerade als Dichter eher weniger legendär ist, wurden von Rilke übersetzt bzw. mit großem Respekt übertragen, d. h. so, dass in den Übersetzungen möglichst viel Michelangelo war und möglichst wenig Rilke. Dem Dichter der Renaissance geht es vor allem um die Verführungen der Liebe, die romantische Liebe fließt in die erotische über, sodass aus Liebe Verführung und Sünde wird. Auch als alter Mann dichtete Michelangelo Liebessonette, war schönen Frauen noch im gebrechlichen Alter zugeneigt, und litt, wie einst Demokrit, daran, zu alt für das erotische Vergnügen geworden zu sein. Die Liebe und der Tod: das sind die großen Themen der Gedichte von Michelangelo. Obwohl eher nicht für Lyrik bekannt, kann nicht gesagt werden, seine Lyrik sei zweitklassig. Bei Michelangelo handelt es sich eher um ein Universalgenie mit vielen Talenten und einem genialen Charakter, der diese vereinte.

Giacomo Leopardi: Lyrik

          Jahrelang kannte ich von Leopardi nur diesen weisen Spruch: " Auch hierin gleicht die Welt den Weibern: mit Scham und Zurückhaltung erreicht man bei ihr nichts ". Das reichte, um den Namen des Dichters im Gedächtnis zu behalten und irgendwann auch Zeit zu finden, seine Lyrik zu lesen. Und die ist ziemlich gut. Noch eins, weil es so schön ist: " Der Betrug ist die Seele des sozialen Leben s". Das könnte ich selbst mit 18 geschrieben haben. Und auch in der Lyrik treffe ich einen Bruder im Geiste: reine, idealistische Liebesromantik, keine Unzucht- und sonstige Sexuallyrik. In seiner Liebeslyrik besingt Leopardi das Ideal der Weiblichkeit, das sich ihm durch Begegnungen mit schönen Frauen offenbarte. Er sah durch den Schleier der Sexualität in das Wesen der Liebe, in ihre Tragik und Abgründigkeit, als wüsste er, dass "Wer die Schönheit angeschaut mit Augen..." Evolas Revolte gegen die moderne Welt wurde schon bei Leopardi vorg...

Herodot: Historien

          Ich konnte nicht aufhören zu lachen. Wer nicht bloß Geschichten, sondern Geschichte so erzählen kann, heißt nicht umsonst der Vater der Geschichtsschreibung. Fast alles war mir aus sekundärliteratürlichen Bezügen längst bekannt, aber es so zu lesen, wie Herodot es erzählt hat, war dennoch eine große Freude. Auf der einen Seite wilde Riten und fremde Kulturen und auf der anderen Seite das Perserreich. Es ging dem Griechen vor allem um die Perser, und wie es dem Krösus, den Ägyptern oder den Skythen mit den Persern erging. Bekanntes kurzweilig zu erzählen, hat in den letzten Jahrhunderten nur ein gewisser Yuval Noah Harari geschafft.

Adam Grant: Think Again

          Nicht bloß "Denkt nach!", sondern "Denkt nochmal nach!" lautet Adam Grants Aufruf. Es ist keine Schande, seine Meinung zu ändern, denn das bedeutet nichts anderes, als dazugelernt zu haben. Natürlich sollte die Meinung nicht wie eine Fahne im Wind sein – oder doch? Kommt darauf an. Über viele Dinge wissen wir gar nichts. Das zeigt Grant an wunderbaren Verarschungsbeispielen auf. Wir haben vermeintliches Wissen, das wir für selbstverständlich halten, das wir nicht überprüfen, und das sich schon bei erster, oberflächlicher Überprüfung als falsch erweisen würde. Die Meinung zu Tierfabriken oder zur Todesstrafe hängt mehr mit moralischen Werten zusammen als mit dem Sachwissen. Hier sollte die Meinung durchaus Teil der persönlichen Identität sein – aber eben nur in moralischen Fragen und nirgendwo sonst! Es ist dumm, "aus Prinzip", d. h. aus falschem Stolz an einer falschen Meinung festzuhalten, nachdem sie durch besseres Wiss...

Erich Fromm: Vom Haben zum Sein

          Nach der obligatorischen Überdosis Gesellschaftskritik geht es an die konkreten Ratschläge, wie das moderne Individuum vom Haben zum Sein kommt. Meditation, Psychotherapie, Selbstanalyse: Erich Fromm war halt buddhistisch angehauchter Psychologe. Ironie beiseite: was er sagt, stimmt ja, und heute noch mehr als vor 40-50 Jahren, und während ich meine antiquarisch erworbene Ausgabe zuendelas, sah ich die exakt gleiche Neuausgabe des Buchs bei Thadeciusdubel. Es wird also weiterhin verlegt und gelesen. Und? Nun, es ändert sich wirklich viel, und zwar in die falsche Richtung. Die Habensfixierung der Gesellschaft der konformistischen Individualisten hat noch weiter zugenommen, obwohl durchaus manche meditieren, und sich sogar vegan ernähren (fürs Ego meistens, nicht fürs Tierwohl). Die Menschen sind heute noch einsamer, noch entfremdeter, und doch an Psychologie, Selbstanalyse und Nabelschau so interessiert wie nie. Das Haben verb...

Federico García Lorca: Gedichte

            Vieles, was ich vor Lorca für echte, inspirierte Lyrik hielt, ist für mich nach Lorca lediglich Gedankenlyrik. Gedanken aufzuschreiben, gelingt aber besser in Prosa: Gedanken sind logisch, nicht rhythimisch. Begeistert und blumig geht auch ohne Metrum, es sei denn, du schreibst lyrisch genug, dass aus dem Feststoff der Prosa der flüssige Aggregatzustand der Sprache, die Lyrik, entsteht. Sand kann fließen, aber Sand ist kein Wasser. Lyrisch umgebrochene Prosa ist keine Lyrik. Vor allem habe ich Lorca als einen Meister des Kurzgedichts kennengelernt. In einem Kurzgedicht muss jedes Wort passen, jedes Wort sitzen. Inspiration und lyrisches Talent müssen zusammengehen. Uninspiriertes lyrisches Talent produziert nur verstechnokratische Machwerke, Inspiration ohne lyrisches Talent eben halt Gedankenlyrik.

Samira El Ouassil, Friedemann Karig: Erzählende Affen

          Sprechende Affen haben viel zu erzählen. Und der Affe Mensch ist eben ein Erzähler, der sich wohl als Verschwörungserzähler am wohlsten fühlt: Narrative verbinden uns, und erzählen uns, wer der Böse ist. Das Buch ist strukturiert wie eine archetypische Heldenreise nach Joseph Campbell. Dabei will es einerseits die Kritik der auf der Heldenreise basierenden Narrative sein, und andererseits selbst eine Heldenreise im Kampf der Gutmenschen gegen alles, was politisch nicht mehr korrekt ist. Die Bezüge zu Trivialwerken der Filmkunst sowie das kindische Gegendere erinnern den Leser ständig daran, dass es sich bei den Autoren um millenial snowflakes handelt. Und damit verkaufen sich diese zwei durchaus intelligente und durchblickreiche Menschen unter Wert. Verschlimmbesserungen wie der Begriff "Schwarze Personen" für Menschen mit dunkler Haut wirken unfreiwillig komisch, denn der intendierte Euphemismus ist nur einen semantischen K...

Thomas Mann: Tonio Kröger

            Schon damals, Anfang 2002 im Leistungskurs Deutsch, als ich zu Tonio Kröger eine Facharbeit geschrieben hatte (und nach dem Gutachten im Wörterbuch nachschlagen musste, was ein "Pamphlet" ist), konnte ich mit dem Neid des Dichters auf den 08/15-Menschen nichts anfangen. Denn was Tonio Kröger beneidete, war nur Fabrikware Mensch , Mediokrität, die "den Geist nicht nötig hatte"; das war keine geistlose Schönheit , sondern bloße, blöde Gesundheit. Verkannt und unverstanden, zu weiblich für das Geschäfts- und Büropatriarchat seiner Zeit (das wäre er für das heutige Office-Plankton nicht mehr gewesen), wird Thomas Manns Alter Ego Tonio Kröger nur vom künstlerischen und lebenskünstlerischen Rand der Gesellschaft wahrgenommen: wie auch später Hesses Steppenwolf. Ein menschliches Rädchen im Getriebe kaut bei einer Passkontrolle genüßlich das neu und falsch gelernte Wort "Individium" im Mund: Anekdotik, für die mir damals die Heiterkei...

Brian Greene: Die verborgene Wirklichkeit

          Im 2012 erschienenen Buch " Die verborgene Wirklichkeit: Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos " entwickelt der theoretische Physiker und Stringtheoretiker Brian Greene verschiedene Versionen des Multiversums. Die einfachste davon geht einfach davon aus, dass in einem endlichen Universum die Anzahl der möglichen Teilchenkombinationen endlich ist, durch die fortwährende Inflation des Inflatonfeldes seit dem Urknall aber täglich unzählige neue Universen entstehen. Im Urknall-Multiversum wiederholt sich jedes Universum zwangsläufig mehrfach, bis ins kleinste Detail. Unzählige Universen weichen vom unseren nur in allerkleinsten Details ab. Z. B. ist in dieser Buchbesprechung der Tippfehler an einer anderen Stelle. Oder der Sieger der US-Präsidentschaftswahl 2000 heißt nicht nur legitimerweise, sondern auch tatsächlich Al Gore. Spannender ist das Quanten-Multiversum, weil es offenbar eine mathe...

F. W. J. Schelling: Philosophie der Offenbarung

          Nach der Wissenschaft der Logik (2008) und der Enzyklopädie (2009/10) war erstmal Schluss mit Hegel, aber ich wollte nicht zurück zu Kant. Im Sommer 2010 las ich Meister Eckhart, im Herbst Schellings in Vorlesungen ausgeführte Philosophie der Offenbarung. Der theoretische Teil liest sie wie spinozistisch oder mystisch korrigierter Hegel. Der Bezug zur christlichen Trinität ist bei Hegel ebenfalls vorhanden. Für Schelling ist Gottvater das sein Könnende, Gottsohn das rein Seiende und der Geist das sein Sollende. Gott ist apophatisch, Jesus ist kataphatisch, dem Heiligen Geist gehört die Zukunft, wie schon bei Joachim von Fiore. Den Sohn Gottes setzt Schelling mit der Welt gleich, und diese ist aus dem Unwillen Gottes entstanden. Daraus folgt, dass der Gott des Alten Testaments der Teufel des Neuen Testaments ist. Nach dem theoretischen Teil wird es schwach und liest sich wie eine Apologie der ka...

Giorgio Agamben: Homo sacer

            Anfang 2013 im neu erbauten Grimm-Zentrum gelesen. Die Atmosphäre war creepy, die Stimmung gedrückt, doch das Büchlein leider nicht ausleihbar. Für wen diese schmalen Fenster dort sind, die weder praktisch noch ästhetisch sind noch sonst irgendetwas für das menschliche Empfinden Sinnvolles darstellen, fragte ich mich schon damals. Giorgio Agambens Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben gibt darauf eine Antwort. Der moderne Staat betreibt eine Biopolitik, er ist strukturell totalitär und herrscht über alle Lebensbereiche. Der Alltagsmensch nimmt das als bemutternde Rundumversorgung wahr: nanny state . Erst wenn der Staat die als Freiheit verstandene großzügige Einhegung einschränkt, etwa in einer Virus-Pandemie, fällt das auch auf. Was für Erich Fromm die nach innen verlegten Ketten des modernen Sklaven sind, das ist für Giorgio Agamben das stukturelle Konzentrationslager , in dem die souveräne staatliche Macht üb...

Eckart Förster: Die 25 Jahre der Philosophie

          Nach Kant gab es keine Philosophie vor Kant. Nach Hegel gab es keine Philosophie nach Hegel. Die Kritik der reinen Vernunft (1781), und nicht die Philosophie der Vorsokratiker, soll also der Anfang der Philosophie gewesen sein. Mit der Phänomenologie des Geistes (1806) ist die Philosophie derselben Logik nach zu Ende, denn das Werk endet bekannt- oder unbekanntlich mit dem absoluten Wissen . Försters Buch ist somit die kürzeste Philosophiegeschichte, die ja nur 25 Jahre dauerte. Diese 25 Jahre waren wahrscheinlich die produktivsten Jahre dieser Wissenschaft überhaupt, und Förster zeichnet den Weg von Kant zu Hegel, den Übergang, der das Entscheidende gewesen ist, denn kennt man nur Kant und nur Hegel, ohne nachzuvollziehen, warum Kant dort endet wo er endet und wo Hegel seinen Anfang nimmt, nachdem Kant alle weiteren Anfänge für unmöglich erklärte, indem er dem Denken mehrere Grenzen setzte, so versteht man nur Hannover Hauptbahnhof...

Yuval Noah Harari: 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert

          Ein reiferes Werk als die beiden Menschheitsgeschichten Hararis. Unbedingt lesenswert, dachte auch ich, als ich es im Oktober 2019 las, und irrte mich keineswegs. Wie klar, offen und ehrlich Harari darüber schreibt, dass manche Kulturen besser als andere sind, hat mich angesichts der linksliberalen Ausrichtung des Autors durchaus beeindruckt. Und es ist nicht das einzige linksliberale Tabu, das er bricht. Der narzisstische Krieg um Identitäten ist nur die Oberfläche der Identitätskrise, in die der Mensch als Spezies durch den technologischen Fortschritt geraten ist. Die Sinnsuche angesichts dessen, dass die Wissenschaft, und bald die künstliche Intelligenz, mehr über uns alle und jeden persönlich weiß als wir selbst, wird zur größten Herausforderung. Der künstliche Gott aus der Maschine wird uns bei jedem Versuch, an den herkömmlichen natürlichen Gott zu glauben, laut und transparent auslachen. Auch die untergeordneten Alltags...

Yuval Noah Harari: Homo Deus

          In Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen geht es um, wie es mir deucht, die Devolution des Homo Sapiens Sapiens zum “Homo Deus”: Theozentrismus (ideational) : Ewige Hierarchie Gott-Mensch-Natur (Überich-Ich-Es). Reformierter Theozentrismus (ideational-idealistisch) : Der Mensch braucht Freiheit und Autonomie, um Gott zu dienen. Anthropozentrismus/Humanismus (idealistisch) : Der Mensch ist frei und autonom. Hedonistischer Anthropozentrismus (idealistisch-sensualistisch) : Die Natur (Es) muss berücksichtigt werden, damit der Mensch (Ich) in der Welt glücklich leben kann. Hedonismus (sensualistisch) : Das nach Lust strebende Es ist Selbstzweck. Data-Hedonismus (sensualistisch-nihilistisch) : Die Maschine braucht Macht, um für das nach Lust strebende Es ein hedonistisches Paradies zu ermöglichen. Dataismus (nihilistisch) : Das lebendige Es ist ein veralteter Algorithmus. Es lebe die Maschine! Ich las das Buch im November 2017 mit großer Freude und...

Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit

          Harari ist, wie Hegel, zu intelligent für die Fakten. Umso schlimmer für die Fakten? Nicht, wenn Hegel Realphilosophie betreiben will und Harari brillante aber falsche Schlussfolgerungen über empirische Tatsachen präsentiert. Das Buch ist Big History at its best , die immer noch beste kurze Universalgeschichte. Ich las es 2017 und war begeistert. Aber seitdem finden Einzelwissenschaftler immer wieder Fehler. Etwa, dass der Weizen keineswegs den Menschen domestiziert hat; der Mensch ist durch einen jahrtausendelangen Prozess vom Jäger und Sammler zum Bauer geworden. Einige Jahrtausende lang haben Jäger und Sammler Landwirtschaft nebenbei praktiziert, Sesshaftigkeit war nicht per se alternativlos. Als es immer mehr Menschen gab, konnte sich die Landwirtschaft als bessere Produktionsweise behaupten, indem sie streng hierarchisch organisierte kriegerische Gesellschaften besser satt machte als die Jagd und das Pilzesuchen. Doch land...