Peter Sloterdijk: Du musst dein Leben ändern
Anfang 2016 die zähen ersten 100 Seiten gelesen, dann aufgehört. Im
März 2017 den Rest gelesen. Auf einmal hatte ich wieder Interesse an dem
Buch. Denn Ende 2016 bekam ich meine Asperger-Diagnose und erkannte,
dass es in diesem Buch auch um meine Lebensakrobatik geht. "Freu dich,
du bist behindert! Besorge dir einen Schwerbehindertenausweiß und lass
dich für den Rest deines Lebens versorgen!" ruft mir die ultradekadente
Gesellschaft durchaus wohlwollend zu. Doch ich denke: Behindert? Dann
will ich erst recht für mich selbst sorgen. Autist? Dann will ich erst
recht mit Menschen arbeiten.
Auf Maslows Bedürfnispyramide klafft bei mir eine immense Lücke: für die Existenzbedürfnisse ist gesorgt, dann kommt lange nichts, dann aber ragt auf einem hohen Turm ein hohes Schloss aus Selbstverwirklichung und Selbsttranszendenz. Es war meisterhafte Lebensakrobatik, den Turm aufzurichten und das Schloss so hoch oben zu bauen. Die Angst vor dem Fall war immer da. Entweder zum Göttlichen hinauf oder ins Nichts stürzen, es gibt nichts dazwischen. Übermensch sein oder nicht sein.
Den affirmativen Teil habe ich mit Freude vernommen und umgesetzt. Der kritische Teil ist an mir vorbeigegangen. Angeblich sind Religionen psychologische Immunsysteme gegen unüberwindliche Barrieren der conditio humana, vor allem gegen das Wissen um die Sterblichkeit. Kann vielleicht womöglich mit Sicherheit sicherlich sein. Aber wiederum: für die Masse. Was das echte Individuum mit der Religion macht, ist seine Sache, sowie die des Wahren, Schönen und Guten.
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