N. N.: Das Alte Testament
Das Buch hat Rasse. Es ist im Exil entstanden, in mehreren Exilien mehrerer Exilanten, nicht auf besoffenen Konzilien machtgeiler Simulanten. Es ist ein persönliches, privates Buch eines Stammes, der nicht zuletzt mithilfe dieses Buchs und der damit begründeten Tradition zu einem Volk wurde.
Diese Sammlung ist organischer als das Neue Testament, und die Texte spielen in der Welt der orientalen Antike. Ägypten (Neues Reich), Neu-Assyrien und das persische Achämenidenreich spielen machtpolitisch die entscheidende Rolle. Zwischendurch tauchen die Seevölker und die Babylonier auf. Roms Gründer kamen aus Troja, Kathagos Gründer aus der Levante.
Es ist die Geschichte eines der vielen Götter und eines Volkes, über welches dieser eifersüchtige und unsouveräne, weil offenbar keineswegs allmächtige, Gott in einer Weise herrscht, die der Psychologe heute bei einem Vater mit schwerer narzisstischer Störung beobachten würde. Diese Geschichte ist spannend erzählt. Als Mythos genommen, und nicht als Vorwort zum Neuen Testament, kann sie durchaus mit der Ilias oder Aeneis verglichen werden; Hesiods Theogonie wäre allerdings eine Nummer größer.
Unterhaltsame Sex- und Gewaltszenen machen das Alte Testament verfilmbar; viele Filmklassiker sind von diesem Werk inspiriert worden. Insbesondere die Geschichte mit der Arche Noah oder die Flucht der Israeliten aus Ägypten lesen sich wie Drehbücher für Hollywood.
Moralphilosophisch ist Hiobs Geschichte paradigmatisch für die Weltliteratur. Liest man sie als mythische Story mit offenem Ausgang und ohne moralische (Zwangs-(Be-))Wertung, hat man viel Stoff zum Nachdenken. Die Vereinnahmung des AT durch das Christentum, die bereits in seiner heutigen Bezeichnung sichtbar wird, hat viel Leid verursacht, aber keinen Qualitätsverlust des Originalwerks.
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