Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung
2006
gekauft im Zustand tiefer Depression mit 23 und in der Absicht, das
Hauptwerk des philosophischen Weltverneiners zu meiner Bibel zu machen.
Die Depression klaute aber so viel Leseenergie, dass es zum Lesen des
dicken Wälzers erstmal nicht kam, und am 18.10.2007 war Schopenhauer
durch Kants Vorlage und Hegels Tor erledigt. Als Hegelianer bin ich über
Schopenhauer hinausgegangen, ohne ihn (außer in Auszügen) zu lesen.
Oktober 2021, jetzt lese ich "Die Welt als Wille und Vorstellung", weil
warum nicht. Die ersten drei Bücher sind eine literarisch schöne aber
philosophisch sinnlos in die Länge gezogene Hinführung zum vierten Buch,
in dem es darum geht, was Schopenhauer der Welt eigentlich sagen will.
Das Leben ist Leiden, weil es ein blinder unersättlicher Wille ist, der
sich an Begierden haftet, und sobald sie befriedigt sind, immer neue
findet. Die kurzen Momente vermeintlicher Zufriedenheit füllen sich
schnell mit Langeweile. Darum ist das Leben zu verneinen, aber nicht
durch Suizid, weil jedes Individuum nur die äußere Erscheinung eines
einzigen nicht individuierten Willens ist; konkret gesprochen, geht
Schopenhauer von der Reinkarnation aus.
Mit der Hauptfunktion introvertierte Intuition war Schopenhauer ein
Willensmensch; er arbeitete mit der kognitiven Empathie durch
extravertiertes Fühlen, und dachte, sein eigenes Leiden am Willen, der
nicht anders kann, als immer weiter zu begehren und zu wünschen, auch
bei allen anderen Menschen zu sehen. Die unausbalancierte Kindfunktion
introvertiertes Denken sorgte dafür, dass er, bevor er zum Punkt kam,
erstmal besserwisserisch alle seine philosophischen Vorgänger in den
ersten drei Büchern von "Die Welt als Wille und Vorstellung" korrigieren
musste. Die unersättliche vierte Funktion extravertierte Sinnlichkeit
produzierte genau alljene Begierden, die er allen anderen Lebewesen
unterstellte, da er sie an sich selbst sehr intensiv empfand. Daher auch
sein starker Sexualtrieb und die Identifikation der Genitalien als
quasi der Mittelpunkt der Hölle des Lebens; jeder Schwanz und jede
Klitoris als der Schwanz Luzifers im untersten Kreis der Hölle.
Schopenhauer kann durchaus der Vater der Sexualphilosophie genannt
werden, die Freud aufnahm und in Psychoanalyse umtaufte. Einen anderen,
besseren Weg, ging Nietzsche.
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