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Es werden Posts vom April, 2023 angezeigt.

Wolfgang Engler: Bürger, ohne Arbeit

          Wolfgang Englers " Bürger, ohne Arbeit – Für eine radikale Neugestaltung der Gesellschaft " ist ein Kirchenlied auf das Bürgergeld. Im Jahr 2005 auf dem Höhepunkt der Agenda 2010 und somit dem Tiefpunkt der Sozialdemokratie geschrieben, habe ich es Anfang Anfang 2008 gelesen, wobei ich es als Sonderpreisausgabe im mich wenn recht entsinnenderweise Braunschweiger Hauptbahnhof auf dem Weg nach Berlin erwarb. Es geht darum, dass man nicht arbeiten müssen muss, um Bürger zu sein. Dass die Arbeit dem Menschen das Recht auf Leben verleiht, ist ja ein gemeinsamer Gemeinplatz sowohl für alle Sozialismen vom Kommunismus bis zum Nationalsozialismus als auch aller Kapitalismen vom Neoliberalismus bis zur sozialen Marktwirtschaft. Das Recht auf Leben von der Pflicht zur Arbeit zu entkoppeln, bedeutet für Engler so etwas wie wahrhaft humanistische Emazipation des menschlichen Individuums. Die Menschenwürde wird ja nur dann wahr gemacht bzw. verw...

Vergil: Aeneis

          Nachzuerzählen kein Bock: wer die Aeneis kennt, erfährt nichts Neues, wer sie nicht kennt, der sollte sie lesen. So unterhaltsam, als wie und ob zu Unterhaltungszwecken auf der altrömischen Tatstatur getippt, damals wahrscheinlich noch mit Windows 95 und einem vorsintflutlichen Word-Programm. Selbst Kaiser Augustus hatte keinen E-Book-Reader, um das Werk zu lesen, sondern musste es sich mühevoll, umgeben von schönen Frauen und belästigt mit gutem Wein, im Theater anschauen. Die Fortsetzung der Ilias will sich vor dem Original weder in mythologischer Tiefe noch in bildlicher Schlachtenbeschreibung verstecken müssen. Ein großes Vergnügen, intellektuell und emotional. Und dann noch all die für Freud und Jung zum Aufgreifen vorbereiteten Motive: eine große Gender-Studie.

Vaclav Smil: Wie die Welt wirklich funktioniert

          Vaclav Smil ist der tschechisch-kanadische Peter Zeihan der älteren Generation. Verglichen mit dem, was Zeihan und Smil zu sagen haben, ist Tacheles Bullshit und die Rede zur Sache sinnfreies Gelaber. Selbst die Informiertesten schweben bei Themen wie Klimawandel im realitätsleeren Raum auf Luftballons, die sich vor seltenen Eichennadeln aus Fakten nicht zu fürchten brauchen. Es werden ins Blaue hinein globale Konferenzen abgehalten, in denen unverbindlich beschlossen wird, zu einem bestimmten Zeitpunkt die globale Wirtschaft klimaneutral zu machen. Wann und ob das überhaupt möglich ist, wissen weder die Politiker, die das versprechen, noch ihre Wähler, die sie gewählt haben, noch die selbsternannten Faktenchecker unter den Journalisten. Wie es in Wirklichkeit ist, steht in diesem Buch. Zunächst einmal steht die Weltwirtschaft auf vier Elefanten, die Ammoniak, Stahl, Zement und Kunststoffe heißen. Diese materiellen Säulen un...

Lewis Dartnell: Ursprünge

          Woher kommt alles? Nicht vom herrschaftsfreien Diskurs. Auch nicht durch die Beschwörung des Universums. Mehr schon vom Karma, im Sinne von sehr lange Zeiträume übergreifender Tiefengeschichte. Dartnell zeigt die Voraussetzungen der Weltgeschichte, ihre erdgeschichtliche Basis: ohne die Vorgänge, die vor Jahrmillionen zur Entstehung von Erdöl und Gas geführt haben, wären die Golfkriege sinnlos. All der zivil- und kunsthistorische Überbau steht auf einer breiten Basis aus Plattentektonik, Meeresströmungen, Vegetations- und Animalgeschichte. Die Bäume, die Früchte, die Pferde, die Gräser, alles ist zu einer bestimmten Zeit irgendwo entstanden, und ist somit kontingent. Aber ohne Pferde keine Mongolen, ohne Mongolen keine Geheime Geschichte der Mongolen; ohne die klimatischen Bedingungen, die dazu führten, dass Bäume im Karbon und Plankton im Jura ohne zu verwesen in der Erde eingeschlossen wurden, hätte die Industrielle Revolution kei...

Ernst Jünger: Der Waldgang

          Ein Essay aus dem Jahr 1951, aber heute noch aktueller, wie auch Johan Huizingas Kulturkritik aus den und an den 1930-ern. Sprachlich von einer Brillanz, die ich nie erreichen werde, es sei denn, ich übe und werde so alt wie Ernst Jünger. Dafür habe ich seinen Waldgänger schon längst verwirklicht: ich bin ein radikales Subjekt nach Alexander Dugin, habe meine innere Heimat, meinen "Wald" seit Urzeiten, hänge an keinem Besitz, der mir genommen werden kann, und besitze unermessliche geistge Reichtümer. Mit dem Verbrecherkult und dem infantilen Dagegen kann ich nichts anfangen, und bin durch meine Existenz der verkörperte Widerstand gegen die gegenwärtige Tyrannei der Ultradekadenz. Das Buch, am 5.4.2023 zwischen 12:00 und 16:20 gelesen, hat keine Pausen geduldet, ich musste es am Stück lesen, was in Bahn, Tram und Mall weitgehend ohne akustische Störfälle gelang.