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Es werden Posts vom März, 2022 angezeigt.

Laotse: Tao Te King

        Das Buch gegen Extranormativität, die Psycho-Ideologie, die besagt, Leben sei ein Nach-Außen-Sein. Für den alten weisen Laotse ist das Nach-Außen-Sein dasselbe wie der Schein; das Sein ist im Innern und unergründlich, unveräßuerlich, unbeschreiblich. Was unbeschreiblich ist, ist undarstellbar, mit dem ist unprotzbar und und unstolzierbar. Introvertierte Menschen sind Menschen, deren optimistische kognitive Funktionen (hero/child) nach innen gekehrt sind, und pessimistische Funktionen (parent/inferior) nach außen. Nur jeder Dritte ist introvertiert; Kant und Konfuzius sind populärer als Schopenhauer und Laotse. Der Taoismus ist nicht resignativ oder weltverneinend, sondern intronormativ: das Innere zählt mehr als das Äußere, Qualität mehr als Quantität, Modalität mehr als Relation. Im noch kommenden Neotengrismus, der Religion, die aufgrund vorhandener Traditionen mehr Anklang finden wird als eine abstrakte Religion der Schönheit, könnte ...

Tristan Garcia: Das intensive Leben

      Strebte der traditionelle Mensch Weisheit und Heil an, so will der elektrisierte moderne Mensch Anti-Weisheit und Unheil. Leben bedeutet, intensiv zu leben: YOLO führt zu FOMO. Durch die Jagd nach Intensität, die zu einer Art Drogensucht wird, stumpft man ab und lebt dann weniger intensiv: man wird depressiv. Das bürgerliche Leben in der Routine will Intensität erleben, ohne daran zugrunde zu gehen. Doch wer nicht ausbrennt, den kriegt letztlich die Langeweile. Die Intensität kann man prolongieren, indem man die Erlebnisse variiert (Promiskuität), steigert (immer perversere Sexpraktiken) oder immer neue erste Male erlebt. Doch der Reiz der Abwechslung, der Steigerung und des Neuen vergeht schneller als das Verlangen nach Intensität befriedigt wird. Ist denn das Leben ein Freizeitpark? Genau dies ist die ultradekadente postmoderne Lebenseinstellung, die durch unrealistische Erwartungshaltungen das Leben ...

Hans Rosling: Factfulness

        Als die NATO 1999 Jugoslawien angriff, waren Kollateralschäden im Form von zivilen Toten noch grimmige Normalität. Beim Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 scheint uns jedes zivile Todesopfer als ein Skandal, und das liegt nicht allein daran, dass der russische Krieg noch weniger zu rechtfertigen ist, sondern vor allem am Umstand, dass sich die Welt in den letzten 23 Jahren verbessert hat, ohne dass wir davon Notiz bekommen haben. Der alte Schwede beschreibt in dieser europäischen Version von " Aufklärung jetzt " (Steven Pinker) die unbekannten Verbesserungen der letzten Jahrzehnte. Wir sehen die Welt schlechter als sie ist. Selbst die Informiertesten haben einen seit 30-40 Jahren überholten Wissenstand, was Armut, Hunger, Bevölkerungswachstum und Gewalt betrifft. Die Welt ist reicher, friedlicher und gesünder als wir denken. Interessant sind die vier Stufen des Wohlstands, an denen Rosling die Entwicklung festmacht: von einem Dollar...